„Benötigen wir wirklich Nahrungsergänzungen?“
Diese Frage spaltet die Fachwelt bereits seit mehreren Jahrzehnten in zwei Lager, die sich in allen nur erdenklichen Medienformen lautstark bekämpfen. In den letzten Jahren haben die Diskussionen um ein Für oder Wider die Form eines echten Glaubenskrieges angenommen, der vor allem im deutschsprachigen Raum nahezu täglich von neuen Informationen genährt wird. Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an diesen Diskussionen haben die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) und die auf gleiche Art tätigen Nahrungsgesellschaften in Österreich und der Schweiz. Sie werden als D-A-CH bezeichnet und geben gemeinsam so genannte „Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“ heraus. Diese Empfehlungswerte werden für fast alle Menschen als ausreichend bezeichnet, um Mangelerkrankungen zu vermeiden. Die Orthomolekularmedizin und die meisten Anti-Aging-Ärzte fordern aber weitaus größere Supplementwerte. Am Beispiel der Vitamine in unseren Nahrungsmitteln lassen sich die großen Unterschiede recht anschaulich darstellen.
Die Empfehlung der DGE für Vitamin C beträgt 75 mg, in Ausnahmefällen bis zu 200 mg pro Tag. Der zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling, der 1994 im hohen Alter von 93 Jahren auf seiner Ranch in Kalifornien starb, empfahl 1000 bis 1800 mg Vitamin C als Tagesbedarf. Noch deutlichere Unterschiede erleben wir bei den Empfehlungen zu Vitamin E: Die DGE empfiehlt 12 mg pro Tag, Linus Pauling 800 bis 1000 mg und andere Anti-Aging-Spezialisten sogar bis zu 3000 mg. Während die von der DGE und den anderen Ernährungsorganisationen empfohlenen Höchstmengen ohne größere Probleme durch die tägliche Nahrungsaufnahme zu erreichen sind, kann man die oft um Potenzen höheren Mengen der anderen Empfehlungen nicht ohne Supplemente zu sich nehmen.
Doch wer liegt nun richtig mit seinen Empfehlungen? Die Antwort auf diese Frage mag auf den ersten Blick überraschen: Beide Parteien liegen mit den von ihnen empfohlenen Höchstmengen richtig. Sie gehen nur von völlig unterschiedlichen Grundüberlegungen aus. Vor allem bei den Vitaminen, aber auch bei anderen Inhaltsstoffen unserer Nahrungsmittel vertreten die verschiedenen Parteien völlig unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Rollen dieser Stoffe im menschlichen Organismus. Bleiben wir beim Beispiel der Vitamine. Die DGE und ähnliche Einrichtungen gehen ausschließlich von dem Gedanken aus, Mangelerscheinungen zu verhindern. Die Orthomolekularmedizin betrachtet Vitamine aber hauptsächlich als Antioxidantien, die möglichst hoch dosiert werden müssen, um ihre Schutzfunktionen erfüllen zu können. Aus diesen unterschiedlichen Verständnissen um den Sinn der Vitamine resultieren die verschiedenen und oft verwirrenden Empfehlungen. Dies trifft auch auf zahlreiche andere Inhaltsstoffe wie Mineralien und Spurenelemente zu.
Ein weiterer Aspekt sind die seit Jahrzehnten veröffentlichten Nahrungsmittel-Empfehlungen, mit denen eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und allen anderen wichtigen Nährstoffen gewährleistet werden soll. Sie basieren stets auf den gleichen Werten für Lebensmittel, die bereits vor geraumer Zeit im Labor ermittelt wurden. Was heute aber an Obst und Gemüse aus den Plantagen und Gewächshäusern der Hersteller geliefert bekommen, ist oft das Ergebnis bestimmter Züchtungen. Bei der Zucht wird aber meist wesentlich mehr Wert auf eine gute Optik und Robustheit gegenüber Schädlingen gelegt als auf die Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen. Leider neigen aber die in unserem Land für solche Angaben Verantwortlichen, einmal festgelegte Zahlenwerte auch über Jahrzehnte hinweg nicht zu ändern. Was dabei herauskommen kann, hat uns vor ein paar Jahren das Beispiel des Spinats gezeigt. Nahezu hundert Jahre lang wurden Generationen von Kindern mit diesem grünen Blattgemüse gequält. „Iss den Spinat, der enthält viel Eisen und das brauchst Du fürs Wachstum!“ Diese Begründung schien richtig zu sein, wiesen das doch alle offiziellen Tabellen über Inhaltsstoffe aus. erst bei einer eher zufälligen Nachuntersuchung vor wenigen Jahren kam es dann heraus. Bei der ersten Untersuchung hatte sich wohl jemand verschrieben und ein Komma falsch gesetzt. In Wirklichkeit enthält Spinat nur zehn Prozent der zuvor angenommenen Mengen und ist als Eisenlieferant für den Körper eher uninteressant.
Würden wir heute einmal das Obst und Gemüse aus den Verkaufstheken der Supermärkte neu auf Inhaltsstoffe hin untersuchen und dazu noch eine Schadstoffliste beifügen, die nicht nur Pestizide sondern auch Rückstände aus sauren Böden, Nachbearbeitungs-Chemikalien und Umweltgifte enthält, sähe es in vielen Fällen ganz anders aus, als heute dargestellt. Auch die größten Gegner von Nahrungsergänzungen müssen endlich begreifen, dass heute ganz ohne sinnvolle Zugaben eine komplette Versorgung des Körpers mit allen wichtigen Nährstoffen kaum noch möglich ist. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um das wahllose Einnehmen irgendwelcher so genannter Multiprodukte, sondern um die gezielte Zuführung bei Mangelzuständen oder Unterversorgung.
Ein weiterer Aspekt, der für die Zugabe von Nahrungsergänzungen spricht, betrifft die so bezeichneten „Risikogruppen“.
Auch bei bester Versorgungslage gibt es immer wieder Risikogruppen, die zusätzlich mit Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen versorgt werden sollen, also Nahrungsergänzungen zu sich nehmen müssten. Etwa bei bestimmten Erkrankungszuständen, bei Mangeldiäten, auch Fastenkuren und in anderen Fällen ist eine zusätzliche Versorgung fast unerlässlich.
Als wissenschaftliches Beispiel sei hier eine seriöse Studie mit mehr als 1500 Osteoporose-Patientinnen angeführt, die bereits medikamentös behandelt wurden. Sie brachte im Frühjahr 2005 zu Tage, dass über die Hälfte dieser erkrankten Frauen an einer Unterversorgung mit Vitamin D litten. Dieses Vitamin kommt nur in relativ wenigen Nahrungsmitteln vor, etwa in Butter, Eigelb, Fisch und Pilzen. Diese Untersuchungsergebnisse wurden auf dem Jahrestag der „American Society for Bone and Mineral Research“ vorgestellt. Unterstützt wurde sie von zwei weiteren Studien. In der einen wurden im Krankenhaus von Minnesota 78 Frauen mit Knochenbrüchen untersucht. Bis auf eine Patientin litten alle unter Vitamin D-Mangel. Eine weitere Studie mit 252 Frauen im südlichen Kalifornien zeigte, dass auch die immer wieder empfohlene Sonnenexposition kein ausreichender Schutz darstellt. In diesem Fall waren 53 Prozent der betroffenen Frauen unterversorgt, völlig unabhängig von Alter und ethnischer Zugehörigkeit. Es gibt noch zahlreiche andere Gesundheitsprobleme durch Nährstoffmangel, die nicht immer gleich als solche erkannt werden. Bei präventiven Zugaben von gezielten Nahrungsergänzungen würden diese Probleme gar nicht oder zumindest in abgeschwächter Form auftreten. Auch die Vegetarier sollten sich nicht zu sicher fühlen. Das essentielle Vitamin B12 ist nämlich hauptsächlich in tierischen Nahrungsmitteln in ausreichender Menge enthalten. Wer sich also rein vegetarisch ernährt, sollte dieses Vitamin als Ergänzung zuführen, um auf Dauer eine Unterversorgung zu vermeiden.
Zuletzt sollte auch noch der finanzielle Aspekt etwas genauer betrachtet werden. Immer wieder argumentieren die Nahrungsergänzungs-Gegner mit den hohen Kosten für angeblich wirkungslose weil zu niedrig dosierte Nahrungsergänzungen. Die Dosierungen sind relativ niedrig, weil dies vom Gesetzgeber so vorgegeben ist. Nahrungsergänzungen sollen weder Heilmittel sein noch die Nahrungsmittel ersetzen. Es ist aber wie mit einem Glas Bier oder Wein. Trinken wir es, so nehmen wir auch nur eine geringe Menge Alkohol zu uns. Bei einer Flasche oder mehr sieht es aber ganz anders aus. Der Alkoholspiegel steigt drastisch an. Bei Nahrungsergänzungen ist es ähnlich. Wer seinen Bedarf mit einer Kapsel oder Tablette nicht ausreichend gewährleisten kann, darf auch eine zweite nehmen. So kann man einfach und bequem die richtige Menge an Vitaminen oder Mineralstoffen auch in Kombinationen zuführen.
Sofort heißt es dann aber: „Das kostet ja ein Vermögen!“
Dann betrachten wir uns doch die von der DGE empfohlene gesunde Ernährung mal ein wenig genauer im Hinblick auf die dabei anfallenden Kosten. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird permanent die gleiche Empfehlung verbreitet:
„Versuchen Sie fünf Portionen (eine Portion ist etwa eine Hand voll) Gemüse und Obst am Tag zu essen…“
Das liest sich auf den ersten Blick recht „gesund“, wenn man nicht gerade an bestimmten Allergien leidet. Auch Diabetiker müssen bei der Auswahl der richtigen Obstsorten vorsichtig sein. Bedenkt man dann auch noch die Arbeits- und Lebenssituation vieler Menschen, so ist es für Millionen unmöglich, jeden Tag fünf Hände voll Obst oder Gemüse zu essen. Doch das wird geflissentlich bei solchen Tipps nicht angesprochen. Wenn man dann noch mit dem Geld auskommen muss, dass man als Hartz IV-Betroffener oder Normalverdiener zur Verfügung hat muss man unwillkürlich mit dem Rechnen beginnen. Man hat etwa 300 bis 400 Euro im Monat für sich zur freien Verfügung. Davon soll man nun 150 Portionen frisches Obst oder Gemüse kaufen? Dazu noch andere Nahrungsmittel und all die anderen Dinge, die zum täglichen Leben gehören. Das ist bei den ständig steigenden Lebensmittelpreisen kaum realisierbar.
Auch der zweite Tipp zur Ernährung, schon seit Urzeiten verbreitet, belastet den Geldbeutel weiter:
„Essen Sie täglich einen 250 g-Becher Joghurt oder ein anderes Milchprodukt oder trinken Sie einen Viertelliter Milch, zum Beispiel auch im Milchkaffee, und essen Sie zwei Scheiben Käse.“
Nun kommen noch etwa 7,5 kg Joghurt oder Quark und 2 kg Käse pro Monat hinzu. Weitere Tipps zur Versorgung über die Ernährung bringen dann noch 6 bis 8 Portionen Seefisch, 2 bis 3 Liter Rapsöl und Vollkornprodukte in die Gesamtrechnung ein. Dies alles wird empfohlen, ohne Rücksicht auf die zahlreichen Menschen mit Milch- und anderen Lebensmittelallergien, ohne zu berücksichtigen wie viel Fett sonst noch in der monatlichen Ernährung enthalten ist und ohne ein Wort über Körpergewicht oder Cholesterinspiegel zu verwenden. Welchen realen Wert solche pauschalen und teuren Empfehlungen haben, kann jeder Leser leicht für sich selbst entscheiden.
Fasst man all diese Informationen zur Thematik der Nahrungsergänzungen einmal zusammen und wägt das Für und Wider sorgfältig ab, so kommt man zu dem Schluss, dass eine ausgewogene und auf jeden Menschen und seine persönliche Situation individuell abgestimmte Zufuhr wichtiger Vitalstoffe eine sinnvolle Maßnahme zur Gesunderhaltung ist.
Eine Nahrungsergänzung ist ja auch eine Form von Nahrung, sonst wäre sie nicht frei verkäuflich. Laut Hippokrates ist die Nahrung ja auch eine Medizin, die jeder für sich nutzen kann. Doch wie ein gutes Arzneimittel muss auch eine Nahrungsergänzung bestimmte Kriterien erfüllen, um gewünschte Wirkungen erzielen zu können. Die wichtigsten Kriterien sind die Fragen nach Sinn und Einsatzzweck des jeweiligen Produktes. Die Beantwortung dieser Fragen ergibt sich normalerweise aus den Inhaltsstoffen und ihren Zusammensetzungen. Diese Informationen werden von den Anbietern meist in der eigenen Werbung deutlich hervorgehoben und sind somit auch für den ungeübten Anwender leicht zu erkennen. Da aber die Erklärungen, welche medizinischen Wirkungen die jeweiligen Inhaltsstoffe hervorrufen können, von den Anbietern nicht erklärt werden dürfen, muss sich als Kunde selbst informieren. Hierzu gibt es inzwischen zahlreiche Ratgeber in gedruckter Form, aber auch das nahezu allwissende Internet. Doch bei den Informationen aus dem Internet ist Vorsicht angesagt. Welche seriösen Quellen Sie nutzen können, finden Sie im Anhang dieses Ratgebers.